Ernst Steinmüller

Ernst Steinmüller hatte Haltung und Humor. Die maßgefertigten Anzüge waren seine Visitenkarte. Baden-Baden, 1922.
Am 11. Januar 1873 wurde Ernst Ludwig Heinrich Steinmüller im Haus „Tuch Steinmüller“ als Sohn des Tuchgroßhändlers Friedrich Wilhelm August Steinmüller und seiner Frau Auguste geboren. Als viertes Kind wuchs Ernst Steinmüller mit seinen Geschwistern im elterlichen Geschäftshaus mitten in Gummersbach auf.
Nach der Schule ging Ernst Steinmüller zuerst in die Lehre in Krefeld, später zum Militärdienst nach Koblenz. Als 19-Jähriger verbrachte Ernst 1892 ein Jahr in London in Textilunternehmen, bevor er zunächst als Angestellter im väterlichen Unternehmen begann und 1899 zum Teilhaber von W. Steinmüller & Sohn wurde. Ernst Steinmüller sprach Englisch und Französisch, er reiste 1892 nach Paris, 1907 nach Schweden. Die Eindrücke von seinen Reisen nach London und Paris in den 1890er Jahren prägten Ernst und machten ihn zum Weltbürger.
Für den Tuchgroßhandel bereiste Ernst Steinmüller den süddeutschen Raum um seine Kunden zu besuchen. In Freiburg, Würzburg, München interessierten sich viele Schneider für Steinmüllers Tuche. Besonders in München fanden sich große Schneiderateliers, die regelmäßig beim Tuchgroßhandel W. Steinmüller & Sohn Stoffe, Garne und Accessoires bestellten.
München war um 1900 eine Kunstmetropole, es war die Stadt der Dichter, der Maler und der Musik. Ernst Steinmüller pflegte in München Freundschaften zu Künstlern und ging nach den Terminen bei seinen Kunden gerne ins Theater oder in die Oper. Sicherlich genoss er auch die schönen Biergärten in München. Work-Life-Balance vor hundert Jahren.
Mit dem Wissen und seiner Persönlichkeit war er seinen Kunden ein guter Berater und sehr geschätzter Mensch. Es war seinem großen Engagement zu verdanken, dass sich W. Steinmüller & Sohn bald zu den bedeutendsten Tuchhandlungen Deutschlands entwickelte.
Stilvolle Maßanzüge waren seine Visitenkarte. Mit ausgesuchten Stoffen und tadelloser Verarbeitung der Anzüge konnte Ernst seine Kunden und Geschäftspartner von der Güte und Qualität seiner Ware bestens überzeugen. Seine aufrechte Haltung spiegelte obendrein die klaren inneren Werte wider, die seine Persönlichkeit ausmachten. Auch war Ernst Steinmüller bekannt für seinen besonderen Humor und sein liebenswürdiges Wesen.

Haus Grotenbach, die 1911 von Ernst Steinmüller in Gummersbach erbaute Villa. Der Gummersbacher Architekt Heinrich Kiefer plante das Haus wie maßgeschneidert für Ernst Steinmüller mit geraden, klaren Linien. Heute steht das Haus unter Denkmalschutz.
Ernst Steinmüller heiratete am 20.4.1897 Paula Sondermann, die 21-jährige Tochter von Emil Wilhelm Sondermann, Besitzer der Spinnerei und Weberei E.W. Sondermann in Mühlenseßmar bei Gummersbach. Paula Sondermann war eine sehr gute Pianistin, sie gab Konzerte, sang im Chor. 1899 kam Tochter Erna zur Welt. Tochter Anita wurde 1903 geboren und starb mit nur einem Jahr. 1906 erblickte dann Tochter Vera das Licht der Welt. An den Folgen einer Operation verstarb Paula Steinmüller im August 1919.
1921 trifft Ernst Steinmüller Marta Brüning, Tochter des Lederfabrikanten Carl Brüning aus Gummersbach. Familie Brüning stammt ursprünglich aus Holstein, Marta Brüning wurde 1888 in Neumünster geboren. Als Pionier in der Lederverarbeitung hatte Carl Brüning internationales Ansehen. Bereits um 1900 exportierte die Lederfabrik Brüning einen großen Teil der Produktion innerhalb Europas, lieferte aber auch nach China, Indien und nach Japan. Marta Brüning schrieb Artikel, die regelmäßig in der Gummersbacher Zeitung veröffentlicht wurden.
Marta Brüning und Ernst Steinmüller heiraten am 27. Juni 1922 in Gummersbach. Am 5. Februar 1927 wurde ihre Tochter Margarete, genannt "Gretel" in Haus Grotenbach in Gummersbach geboren.

"Klein Paris" nannten die Gummersbacher ihre schöne Stadt um 1920. Ernst Steinmüller 1931 in Gummersbach mit seinem Enkel Reiner Wahlefeld und Tochter Gretelein.
Zu seinem 70. Geburtstag am 11.1.1943 würdigte die Deutsche Schneider Zeitung Ernst Steinmüller mit einem Glückwunsch:
Ernst Steinmüller zum 70. Geburtstag
In weitesten Kreisen des Schneiderhandwerks bekannt, beliebt und wegen seines Humors und steten zuvorkommenden Wesens geschätzt, begeht Herr Ernst Steinmüller, Gummersbach, in voller Frische am 11. Januar seinen 70. Geburtstag.
Der Jubilar steht fast 50 Jahre im Dienste unseres Handwerks und hat somit alle Sturm- und Drangzeiten nicht nur mitgemacht, sondern darüber hinaus ist er stets ein treuer Helfer und Berater seiner Kunden geblieben.
Ernst Steinmüller hat schon in jungen Jahren durch In- und Auslandsreisen sich bewußt auf seine Tätigkeit im Dienste des Schneiderhandwerks vorbereitet, so daß er bei seinem Eintritt in die Firma Steinmüller & Sohn, Gummersbach (Rheinland) im Jahre 1894 als erstklassiger Textilfachmann der Betriebsleitung zur Seite stand. Sein hohes, gediegenes Können ließ ihn bald zum Teilhaber der Firma werden.
Ganz besonders sind seine hochqualifizierten und geschmackvollen Futterstoffkollektionen bekannt, deren Zusammenstellung er sich mit großer Liebe widmete.
Seine ständige Verbindung mit all seinen Kunden hat den guten Ruf der Firma stets erweitert und gefestigt. Heute noch erledigt Ernst
Steinmüller vordringende Geschäfte persönlich und findet immer noch Zeit, seine Freunde und alten Kunden selbst aufzusuchen. Seine Hilfsbereitschaft und sein sonniges Wesen haben ihm viele Freunde gewonnen, die sich mit dem Wunsche für sein weiteres Wohlergehen unseren Glückwünschen anschließen.